Was haben der Handel mit Kryptowährungen, Brillen, Hafermilch und Partnersuche gemeinsam? Ganz einfach: Unternehmen mit diesen Produkten sind im Jahr 2021 an die Börse gegangen. Konkret handelt es sich hier um Coinbase, Mister Spex, Oatly und das Datingportal Bumble.

Aber warum wagt eine Firma überhaupt einen Börsengang, wie funktioniert er, was muss dabei beachtet werden und lohnt es sich für Anlegerinnen, gleich am Anfang mit einzusteigen?

Die Antworten auf diese Fragen und noch einige mehr erfährst du im folgenden Artikel!

Mit dem Inhaltsverzeichnis kannst du direkt zum gewünschten Punkt springen.

Was ist ein IPO?

IPO bedeutet Initial Public Offering und meint die Erstnotiz bzw. das erste öffentliche Angebot von Aktien eines Unternehmens, das vorher nicht an der Börse gelistet war.

IPOs sind ein sehr zyklisches Geschäft: Wenn die Kurse tendenziell eher hoch sind und Firmen damit auch hoch bewertet sind, gibt es besonders viele, weil damit dann auch mehr Kapital eingesammelt werden kann.

In Abschwungphasen gibt es deswegen so gut wie gar keine IPOs, z. B. im Corona-Crash oder nach der Finanzkrise 2008 ging die Zahl der IPOs stark zurück.

Momentan steigt die Zahl wieder und allein 2021 gab es in Europa mit 485 IPOs einen neuen Rekord und damit mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr.

 

Was sind die Gründe für einen IPO?

Das Hauptmotiv ist vor allem die Beschaffung von zusätzlichem Kapital durch Anleger*innen und Investor*innen, um zu wachsen oder neue Geschäftsideen umzusetzen – durch einen Börsengang eröffnen sich für Unternehmen sehr viele neue Möglichkeiten.

Ein weiterer Grund kann sein, dass die Gründer oder Wagniskapitalgeber (z. B. für ein Start-up) sich aus dem Betrieb zurückzuziehen wollen und damit einfacher ihre Anteile als Aktien verkaufen können.

Außerdem kann ein Börsengang dazu beitragen, die Sichtbarkeit zu erhöhen und das Ansehen des jeweiligen Unternehmens verbessern. Infolgedessen können auch Umsatz und Gewinne steigen.

Gleichzeitig muss eine Firma als Aktiengesellschaft aber jede Menge regulatorische Auflagen erfüllen, z. B. ihre Bilanz offenlegen, Quartalsberichte erstellen und regelmäßig eine Hauptversammlung abhalten.

Daher ist ein IPO immer eine Abwägungsfrage, die sich das Management lange vorher überlegt und beantwortet haben sollte.

Wie läuft ein Börsengang ab?

Der IPO eines Unternehmens ist ein komplexer, langwieriger und auch ziemlich kostspieliger Vorgang. Bis die Aktien des Unternehmens an der Börse handelbar sind, müssen eine Menge einzelner Schritte beachtet werden, die teilweise auch parallel ablaufen. Grundsätzlich kann aber der Prozess in 5 Phasen unterteilt werden:

1. Die Vorbereitungsphase

Als erste Voraussetzung für die Zeichnung an der Börse muss die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden, wenn sie z. B. vorher als GmbH eingetragen war. Dann wird der Prozess des Börsengangs gestartet – dieser kann dann von einigen Monaten bis hin zu 2 Jahren dauern.

Danach wird eine eine Bank gesucht, die als führender Partner bei der Durchführung des IPO unterstützen soll, oftmals sind es sogar mehrere Banken, die sich zu einem Konsortium zusammenschließen.

Außerdem werden noch weitere geeignete Beteiligte wie Anwälte, Unternehmensberater, Kommunikationsagenturen, Marketingagenturen gesucht und beauftragt.

Im Grunde ist ein IPO eine großer Verkauf, der – wenn er erfolgreich sein soll – gut vorbereitet sein will!

2. Due Diligence (Prüfungsphase)

Nun erfolgt die Durchführung einer Unternehmensanalyse, in der geprüft werden soll, ob das Unternehmen überhaupt schon börsenreif ist.

Diese Prüfung (Unternehmensdaten, Branchen- , Produkt- und Wettbewerbsanalyse) wird dann von den Banken und Unternehmensberatern übernommen, die jede Menge sogenannte „Due diligence reports“, also eine Art Prüfbericht, erstellen müssen für Performance, Steuern, Finanzen, Personal usw.

Die Firma wird also bis ins letzte unter die Lupe genommen, um unliebsame Überraschungen nach dem Börsengang zu vermeiden. Es wird die Bilanz geprüft und – falls notwendig – „geglättet“, d. h. wenn zum Beispiel bei einem Start-up die Zahlen stark ausschlagen, müssen sie über einen längeren Zeitraum kontrolliert beeinflusst werden, um potentielle Investoren nicht zu verschrecken.

Zusammen mit Anwälten und der BaFin (Bundesanstalt f. Finanzdienstleistungsaufsicht) wird dann der offizielle rechtliche Prozess vorbereitet und eingeleitet.

3. Marketingphase

Dann folgt die Marketingphase. Hier müssen Prospekte erstellt werden, in denen das Unternehmen für den IPO attraktiv aussehen soll, die Zahlen werden richtig „in Szene gesetzt“, um gut vorbereitet zu sein für die Roadshow, der Werbung für das „Going Public“.

Einige Wochen vor dem geplanten IPO geht dann das Management auf Tour. Die Roadshow kann entweder virtuell oder persönlich durchgeführt werden und dabei werden Investoren geworben, die sich dann mithilfe der zusammengestellten Prospekte und Dokumente ein Bild vom Unternehmen und dem Wachstumspotenzial machen können.

Das Bankenkonsortium vereinbart dazu Termine mit Investmentfonds-Managern, Hedgefondsmanagern, anderen Banken, Pensionskassen oder Versicherungen und hier wird dann die „Equity Story“ erzählt, wie die Performance und damit die Aktie des Unternehmens sich nach dem IPO positiv entwickeln werden.

4. Zeichnungsphase

Nun wird es konkret: Die potentiellen Investoren können nach der Roadshow ihre eigenen Recherchen anstellen und entscheiden, ob sie einsteigen wollen und wenn ja zu welchem Preis.

Dieser wird meistens durch das „Bookbuilding“ festgelegt. Dabei geht die Gesellschaft nach der Preisspanne, die von den Investoren vorgeschlagen wurde und sie können dann in diesem Rahmen Kaufanträge abgeben.

Daraus wird dann der Emissionspreis für den Börsengang ermittelt. Gebote, die dem ermittelten Emissionspreis der Aktie entsprechen, erhalten den Zuschlag, die Gebote, die darunter liegen, nicht.

Wichtig zu wissen ist noch, dass es bei einem IPO einen Primärmarkt und Sekundärmarkt gibt, d. h. bevor eine Aktie zum ersten Mal in den Handel kommt, wird sie zunächst an institutionelle Anleger verkauft. Diese haben das Recht haben, sich zu einem vorher festgelegten Preis Aktienpakete zu sichern – das ist der Primärmarkt. Dann geht mit dem regulären Börsenhandel der Sekundärmarkt los. Privatinvestoren können im Primärmarkt in der Regel nicht mitspielen.

Der Preis für die erste Zuteilung der Aktien ist idealerweise so festgelegt, dass es zu einer „Überzeichnung“ kommt, d. h. dass es mehr Interessenten als Aktien gibt, weil das gleich den Preis nach oben zieht.

Nun ist das Bankenkonsortium ist dafür verantwortlich, wie viele Aktien wann auf den Markt kommen und diese geben sukzessive in Aktienpakete in den Markt um den Preis zu steuern und zu stabilisieren.

5. „Going public“ – die Marktphase

Und jetzt geht´s richtig los! Der Börsengang ist vollendet, die Aktien sind nun frei handelbar und das Unternehmen muss sich jetzt um die Kurspflege kümmern, also dass der Aktienkurs möglichst stabil bleibt. Dieser entscheidet sich dann am ersten Handelstag – wenn alle kaufen und verkaufen können.

Dieser ganze Prozess kostet meist mehrere Millionen, u.a. weil auch sehr viele Dienstleister und Behörden mit einbezogen werden müssen.

Welche Möglichkeiten haben Unternehmen noch?

Manchen Firmen ist der oben beschriebene Ablauf für die Erstnotiz and der Börse auch zu teuer oder zu langwierig und sie greifen daher zu Alternativen:

Direct Listing

Dauer und Kosten sind beim „Direct Listing“ deutlich geringer, da es ohne Investmentbanken und Roadshow auskommt. Coinbase hat 2018 als eines der ersten Unternehmen diesen Trend losgetreten, weitere wie Slack oder Palantir folgten und mittlerweile ist diese Methode fast verbreiteter als das klassische IPO.

Die Preisermittlung läuft hier auch etwas anders. Die Banken sind zwar auch involviert, aber nicht so umfangreich, sie organisieren z.B. Auktionen, bei denen der Preis der Aktie ermittelt wird. Es erfolgt aber keine Prüfung der Liquidität und der Kurs wird durch den Bank auch nicht stabilisiert.

Spacs

Mit Spacs haben Unternehmen eine weitere unkompliziertere und günstigere Methode, an die Börse zu gehen.

SPACS steht dabei für „Special Purpose Acquisition Companies“ und hier wird von Sponsoren eine Aktiengesellschaft gegründet, die kein operatives Geschäft hat und deren einziger Zweck es ist, ein Unternehmen zu erwerben, das noch nicht an der Börse ist.

Institutionelle Investoren zahlen auf ein Treuhandkonto ein, und innerhalb von 2 Jahren muss die SPAC mit diesem Geld eine andere Gesellschaft übernehmen, um es an die Börse zu bringen. Das SPAC wird umbenannt und damit ist das übernommene Unternehmen an der Börse gelistet.

Spotify und Virgin Galactic haben zum Beispiel diese Alternative gewählt und auch diese hat im vergangenen Jahr einen richtigen Boom erlebt.

Lohnt es sich, in einen IPO zu investieren?

Und nun zur Gretchenfrage:

Zum einen kann ein Einstieg direkt zum Börsengang zwar kurzfristige Gewinne bieten, da viele Aktien gleich nach Beginn des Börsengangs deutlich ansteigen. Hier solltest du aber beachten, dass sich institutionelle Investoren meist schon einen günstigeren Ausgabepreis gesichert haben.

Andererseits zeigen Erfahrung und wissenschaftliche Studien, dass es meist nicht sehr rentabel ist, direkt bei IPOs mit einzusteigen, da viele Unternehmen ihre Erstnotiz starten, wenn ihre Bewertung einen Höchststand erreicht hat und so ein hoher Ausgabepreis am Kapitalmarkt erzielt werden kann. Einige Unternehmen überleben nicht mal ihr erstes Jahr an der Börse, die Entwicklung von anderen ist oft auch nicht wie erwartet, so startete beispielsweise Oatly mit einem Kurs von 17,00 Euro, ging dann rauf bis auf 23,00 Euro und stürzte dann wieder ab auf ca. 4,00 Euro – alles innerhalb eines Jahres…

Auch bei Unternehmen, die gleich nach dem IPO einen rapiden Kursanstieg verzeichnen, verpasst du vielleicht nichts. So haben zum Beispiel Amazon oder Netflix direkt nach ihrem IPO einen rasanten Start hingelegt, der sich aber nach einigen Jahren normalisiert hat. Das liegt einfach daran, dass die Investmentbanken den Kurs am Anfang besonders pushen, bevor sich die Bewertung einpendelt.

Deswegen solltest du Aktien einer Neu-Emission ein bisschen Zeit geben, sich zu etablieren, bevor du die Entscheidung triffst, dein Geld zu investieren.

Delisting oder Rückzug von der Börse

Natürlich gibt es auch den umgekehrten Weg: Börsenrückzüge (sog. „Delistings“) werden durchgeführt, wenn das Unternehmen wieder nicht-öffentlich geführt werden soll.

Gründe hierfür können z. B. sein, wenn bei einer Übernahme das Unternehmen in einen anderen Konzern integriert wird oder um oder weniger regulatorische Auflagen zu haben.  

Sie sind aber eher selten, seit 2014 gab es z. B. in Deutschland nur 138 Delistings.

Zusammenfassung und Fazit

Als IPO (Initial Public Offering) bezeichnet man die Erstnotiz eines Unternehmens an der Börse. Diese dient in erster Linie dazu, neues Kapital zu beschaffen und die Wertentwicklung des Unternehmens in Zahlen messbar zu machen.

Der Prozess des Börsengangs kann mehrere Monate bis Jahre dauern und das Unternehmen muss dazu mit strategischen Partnern Banken und Unternehmensberatern Analysen und Pläne zusammenstellen und eine sogenannte „Roadshow“, also eine Marketing-Kampagne, durchführen. Danach können Investoren entscheiden, ob und zu welchem Preis einsteigen wollen und sichern sich die ersten Aktienpakete.

Dann folgt der eigentliche Börsengang und damit der Sekundärmarkt, in dem die Privatanleger*innen zum Zuge kommen.

Das Jahr 2021 war ein Rekordjahr für IPOs. Laut A. Wolfsbein, dem Österreich-Sprecher der Investmentgesellschaft Freedom Finance“ gingen „noch nie zuvor […] so viele Unternehmen an die Börse wie dieses Jahr und auch das dabei eingesammelte Kapital war noch nie höher“.

Trotzdem ist es für Privatanlegerinnen nicht ganz ohne Risiko, direkt beim Börsengang in ein Unternehmen einzusteigen, da zum einen der Kurs von den beteiligten Bank gepusht wird und zum anderen sich das Unternehmen erst beweisen muss.

Daher solltest du zunächst lieber abwarten und Tee trinken und dich – wie auch bei anderen Gelegenheiten – nicht vom neuesten Hype anstecken lassen!